Gebet und Andacht am Karfreitag

Nach einer Idee von Dr. Johannes Goldenstein (VELKD)


Vorbereiten

Karfreitag. Überall auf der Welt denken Christen an
das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus.

Wir können heute nicht zusammen mit vielen anderen
in der Kirche sein, sondern nur für uns, zu Hause.

Karfreitag aus der Distanz. Nicht, weil wir den Anblick nicht
aushalten würden, oder weil wir uns schämen oder nichts mit
dem zu tun haben wollen, was vor so langer Zeit geschehen ist.

Jahrhunderte trennen uns von dem Ereignis auf Golgatha.
Viele Kilometer. Kulturelle Welten.

Und doch sind wir miteinander verbunden, durch die Zeiten
hindurch und mit Menschen überall in der Nähe und in der Ferne.

Wir Menschen unter dem Kreuz.

Anfangen

Herr Jesus Christus,
tu uns das Geheimnis des Kreuzes auf.
Trag uns über die Abgründe unserer Zweifel
und zeig uns das Geheimnis Gottes in unserem Leben.
Amen.

Den Psalm des Tages beten

Ich bete mit den Worten des Psalms, den Jesus am Kreuz gebetet hat:

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? *
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, *
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.

Aber du bist heilig, *
der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich; *
und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.

Zu dir schrien sie und wurden errettet, *
sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.

Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, *
ein Spott der Leute und verachtet vom Volk.

Alle, die mich sehen, verspotten mich, *
sperren das Maul auf und schütteln den Kopf:

»Er klage es dem HERRN, der helfe ihm heraus *
und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.«

Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; *
denn es ist hier kein Helfer.

Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, /
und meine Zunge klebt mir am Gaumen, *
und du legst mich in des Todes Staub.

Sie teilen meine Kleider unter sich *
und werfen das Los um mein Gewand.
Aber du, HERR, sei nicht ferne; *
meine Stärke, eile, mir zu helfen!

Psalm 22,2-9.12.16.19-20

Ein Lied singen

Ja, singen. Und wenn einem die Worte im Hals stecken zu
bleiben drohen, wenigstens summen – oder den Liedtext
leise lesen und auf die Melodie hören.

LIEDVORSCHLÄGE:
„Das Kreuz ist aufgerichtet“
(Evangelisches Gesangbuch Nr. 94), am besten nach der Melodie
„O Welt, ich muss dich lassen (Nr. 521).

„O Haupt voll Blut und Wunden
(Evangelisches Gesangbuch Nr. 85).

Vorschläge zum Mithören fehlen heute. Vielerorts ist der Karfreitag ein „stiller Tag“, an dem die Orgel schweigt oder der Gesang nur einstimmig begleitet wird.

Auf Gottes Worte hören

Im Evangelium nach Matthäus im 27. Kapitel lese ich:

Als sie Jesus verspottet hatten, zogen sie ihm den Mantel
aus und zogen ihm seine Kleider an und führten ihn ab, um
ihn zu kreuzigen. Und als sie hinausgingen, fanden sie einen
Menschen aus Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie,
dass er ihm sein Kreuz trug.

Und als sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha,
das heißt: Schädelstätte, gaben sie Jesus Wein zu trinken mit
Galle vermischt; und da er‘s schmeckte, wollte er nicht trinken.
Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider
und warfen das Los darum. Und sie saßen da und bewachten ihn.

Und oben über sein Haupt setzten sie eine Aufschrift mit
der Ursache seines Todes: Dies ist Jesus, der Juden König.

Da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur
Rechten und einer zur Linken. Die aber vorübergingen,
lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen:
Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei
Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig
herab vom Kreuz! Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester
mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen:
Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht
helfen. Er ist der König von Israel, er steige nun herab
vom Kreuz. Dann wollen wir an ihn glauben.

Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen
an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.
Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit
ihm gekreuzigt waren.

Von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das
ganze Land bis zur neunten Stunde. Und um die neunte
Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt:
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie:
Der ruft nach Elia. Und sogleich lief einer von ihnen, nahm
einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf
ein Rohr und gab ihm zu trinken. Die andern aber sprachen:
Halt, lasst uns sehen, ob Elia komme und ihm helfe!
Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.

Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke
von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebte, und die
Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf und viele
Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf und gingen
aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in
die heilige Stadt und erschienen vielen. Als aber der Hauptmann
und die mit ihm Jesus bewachten das Erdbeben
sahen und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen:
Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!

Matthäus 26,17-30

Ein Impuls zum Nachdenken

Ein Tag der Solidarität mit allen Weinenden
Gedanken von Landesbischof Ralf Meister zum Karfreitag

Es gibt nicht viele Gelegenheiten, zu denen wir uns das Weinen
in der Öffentlichkeit erlauben. Doch in diesen Wochen der Angst
und Unsicherheit hat sich etwas verändert. In diesen Wochen
habe ich viele Tränen gesehen: Da weint jemand aus Angst,
seine berufliche Existenz zu verlieren. Jemand ist in Sorge um
die Tochter, die im Ausland lebt, und bei einer Dritten rollt die
Träne hinab, weil sie ihren Vater im Krankenhaus nicht besuchen
kann. Ein Leben lang haben wir gelernt, die Tränen zu
unterdrücken. Tränen seien ein Zeichen von Schwäche, hören wir,
und „Jungs weinen nicht“.

Ich meine: Wir müssen unsere Tränen nicht verstecken.
„Gott, sammle meine Tränen in deinen Krug“, heißt es in einem
der ältesten Gebete, die die Menschheit kennt, im 56ten Psalm.
Wenn wir schon weinen müssen, wenn wir uns verlassen fühlen,
dann dürfen wir Gott bitten: Sammle unsere Tränen und mach
sie zu deinen!

In diesen stillen Tagen denken wir an die letzten Stunden im
Leben von Jesus Christus. In der Nacht vor seinem Tod betete
er inbrünstig darum, dass Gott ihm Leiden und Sterben ersparen
möge. Vergebens. Er wurde gefoltert, verhöhnt und grausam
hingerichtet. Mit einem Schrei endete sein Leben.
Kurz zuvor spricht er noch zu den Frauen, die an seinem Schmerz
Anteil nehmen: „Weint nicht über mich, sondern weint über euch
selbst und über eure Kinder.“

Mein Tod wendet den Blick, sagt Jesus in diesem Hinweis.
Er wendet den Blick zu uns, in unserer Erlösungssuche.
Wer rettet uns aus dem Unheil der Welt? Wer bringt uns Heil in
ungewissen Zeiten? Wie sehne ich mich nach einer Gemeinschaft,
in der diese Fragen nicht nur geschrieben, sondern in
Anwesenheit anderer gesagt oder in der Musik gemeinschaftlich
gehört werden. Wie schmerzlich vermisse ich in diesen Tagen
Bachs Johannespassion in einer voll besetzten Kirche.
Fromme Gefühlsausbrüche wie zu der Zeit von Johann Sebastian
Bach sind uns heute fremd. Jedes Jahr zu Karfreitag werden
lautstark Zweifel angemeldet an der Berechtigung des stillen
Feiertages, der für alle verbindlich ist. 2020 ist alles anders.
Doch eines bleibt gleich: Jesus verlangt nicht von uns, um ihn
zu trauern. Der Karfreitag ist die Eröffnung der Solidarität mit
allen Weinenden und die Einladung, den Schmerz gemeinsam
zu tragen.

Einmal werden alle Tränen getrocknet werden, oder wie es im
Evangelium des Lukas steht: „Selig seid ihr, die ihr jetzt weint,
denn ihr werdet lachen.“

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Karfreitag.
Bleiben Sie zuversichtlich!
Ihr Ralf Meister

Beten

Du nimmst unsere Stelle ein, Herr.
Du ringst mit unserer Angst.
Du wirst geschmäht und von den besten Freunden vergessen.
Du hältst unsere Einsamkeit aus und unsere Schmerzen
und stirbst unseren Tod.

In der Stille bringe ich vor Gott, was mein Herz heute bewegt.
Weil es mich beschwert.
Weil es mich traurig und hilflos lässt.
Weil es mich dankbar macht.
Stille

Christus, Lamm Gottes, du trägst das Leid der Welt.
Erbarm dich unser.
Christus, Lamm Gottes, du trägst die Sünde der Welt.
Erbarm dich unser.
Verwandle durch deine Passion und durch deinen
Tod unser Leben.
Christus, Lamm Gottes, du bist das Heil der Welt.
Gib uns deinen Frieden.

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Segen

Vater, in deine Hände befehlen wir unser Leben.
In deinen Händen ist es sicher; komme was mag.

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige
Gott, + Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Amen.

Bibeltexte nach dem Wortlaut der Lutherbibel, revidiert 2017,
© 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Zusammenstellung der Liturgie:
Oberkirchenrat Dr. Johannes Goldenstein, Hannover


Weitere Informationen für die Teilnahme an gottesdienstlichen Feiern in der aktuellen Situation finden Sie auf der Seite „Kirche von zu Hause“.

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